LIGHT-KULTUR DEUTSCH!!!

Ein Stück für vier Light-Kult-Figuren von Peter Tepper und Mathias Wedel unter der Spiel-Führerschaft von Peter Tepper.

Was gehört - neben der Hornhautraspel für die nationale Kurzhaarfrisur - in den Kulturbeutel eines Deutschen?
Wie führt man sich Deutschländerwürstchen ein und welche Folgen hat das für das Nationalgefühl?
Wie bringt man einem Neger die Grundzüge sächsischer Sprachkultur bei?
Dürfen Kampfhunde in der CDU unangeleint toben?
Hebt ein Hakenkreuz im Straßenverkehr die Ampelregelung auf?
Ist bei der Rentenberechnung auch ein Ariernachweis vorzulegen?
Versauen uns die Inder nicht unsere sorgsam gewichsten Festplatten?
Und: Ist ein Pakistani, der nicht wenigstens "Die kleine Nachtmusik' von Beethoven pfeifen kann, in unserer Kultur überhaupt überlebensfähig?

All das wird doch mal gefragt werden dürfen.

Denn nur wer fragt, bleibt stark im Überlebenskampf um den Standmord Deutschland! Mit diesem Programm leuchtet die Leipziger Funzel ihrer Gemeinde heim auf den Tugendpfad der deutschen Leitkultur. Von A bis Z - von Analerotik bis Zlatkows Containerwelt.


Peter Tepper - Regisseur des neuen Programms vorgestellt

STATIONEN
ROUTE - WEGPUNKTE - AUFENTHALTE

Beginn der Reise Januar 1943 - Mutter blond, blauäugig, gerade Nase - Vater dunkel, braunäugig, krumme Nase - auf ihn wartete ein Sonderzug des Lok-Führers des Dritten Reichs(bahnwesens). Zurrrückbleiben, bitteee!!!
Zurück blieb, nebst Mauer und Oma: kleiner blonder, blauäugiger Junge - Lebensversicherung und Freifahrkarte zugleich. In ein neues Deutschland. Das Kursbuch hieß auch NEUES DEUTSCHLAND und unterschied sich von der wirklichen Fahrstrecke, sowie der Neckermann-Katalog vom Urlaubsparadies auf ‚ner portugiesischen Großbaustelle. "Die Mühen der Gebirge lagen hinter uns", vor uns aber keine Ebene?! Umdenken war nötig, um nicht immer nur Bahnhof zu verstehen: Die Signale standen auf Rot. Dennoch Freie Fahrt. Meine Zwischenstationen: Schule - Abitur - Lehre - Funkmechaniker. Bei der Qualität unserer Fernseher war das ein Bombengeschäft. 1963 dann, umsteigen in eine völlig andere Richtung. Von nun an im D-Zugtempo ohne größere Aufenthalte: Studium an der Staatlichen Schauspielschule Berlin - Diplom - Theater Senftenberg - BERLINER ENSEMBLE 1972 bei Brechts Nachgeborenen. Alles aussteigen!
Hier hielt mein Zug zwanzig Jahre, ohne wirklich stehen zu bleiben - Auch als 1990 die Lok ausgewechselt wurde wie die Bilder in den Amtsstuben. Viele erstklassige Rollen, kluge, vernünftige Theaterarbeit - und dazwischen immer wieder Kabarett. Von 1972 bis 1987 Künstlerischer Leiter des Studentenkabaretts der Hfö - von 1987-1990 Inszenierungen an der DISTEL.
Erst als an Brecht nur noch ein lntercity gleichen Namens erinnerte, sowie ein Dampfer der Weißen Flotte und die Leuchtschrift "BERLINER ENSEMBLE" in dem großen Kreis, der sich noch immer auf dem Schiffbauerdamm-Theater dreht, nur noch vor Scham rot zu werden drohte, sprang ich bei voller Fahrt ab - und machte meinen eigenen Fahrplan: 1992 ging ich fest als Künstlerischer Leiter zum Kabarett KATOON in Berlin, das ich schon vorher, am 15. September 1990, also noch knapp drei Wochen vor dem "Tag der Deutschen Banane" eröffnet hatte. Seit dieser Zeit zirka 23 Inszenierungen. Politisches Kabarett, literarisch-musikalische Programme. Regie, Dramaturgie, Autorenschaft. Reiseziel unbekannt. Das soziale (Schienen)Netz der bundesdeutschen D-Markratie nimmt uns, die wir süchtig nach Satire sind, die Angst, daß uns niemals "der Stoff ausgeht". Die Weichen für politischen Kabarett sind auch im neuen Jahrtausend für jeden gestellt, der versucht, während der Fahrt durch die "Blühenden Länder" Blumen zu pflücken. Vorsicht an der Bahnsteigkante!
Mein Zug führt mich morgen nach Leipzig. Kopf-Bahnhof - aber keine Endstation...

Peter Tepper


Presseecho (Hallo! Leipzig)

Light-KuItur Deutsch

Mit den Loriot-lnszenierungen hat die Funzel schon einen scharfen Zahn vorgelegt in Sachen gut gespieltes Kabarett. Aber Loriot ist ja schon fast Theater. Wie aber ist es, wenn Thorsten Wolf und seine drei Mitstreiter mal wieder richtig scharfes politisches Kabarett auflegen? Wie dieses Programm, für das die CDU den herrlichen Steilpass direkt aufs Tor vorgegeben hat? Leit-Kultur, Leid-Kultur, Light-Kultur. Wo die Politik derart plump mit nationalistischen Tönen operiert, stolz ist auf jeden Blödsinn und das Thema Ausländer als Wahlkampfkeule benutzt, da hat auch das Publikum wieder offene Ohren für böse, bein-harte Töne aus dem Kabarett. Und von den Autoren Mathias Wedel und Peter Tepper hat dieses Programm auch saftige, kluge und bissige Texte verpasst bekommen. Manche auch arg hintersinnig, wenn nicht gar hinterlistig. Und damit das auch rüberkommt im Saal, hat Peter Tepper selbst Regie geführt: Ein gestrenger Regisseur, der nicht darauf vertraut, dass vier Kabarettisten schon Lacher bekommen, wenn sie die Pointen richtig bringen. Man spürt die straffe Hand, die den Toilettenmann und die bayerischen Sängerlein, die gescheiterten Revoluzzer und die Biertischredner auftreten lässt in einem bunten, fast nahtlosen Reigen, in teilweise atemlosen Tempo. Eine Peepshow deutscher Befindlichkeiten, schräg und schrill hintereinander gesetzt, dass das Zwechfell keucht. Das sitzt. Und am Ende ist man froh zu wissen, dass die Deutschen immer die anderen sind.

Ralf Julke